Kinder, Beruf, Haushalt, Geld - wie gelingt eine faire Aufteilung? Viele Familien nehmen es sich vor, aber dan wirrd nichts daraus. Das Symbolbild zeigt eine Frau mit Kinderwagen auf dem Spielplatz. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Unbezahlte Care-Arbeit

Kinder, Haushalt, Familie - macht alles die Frau? Ein Seminar will das ändern

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Siri Warrlich
Profilbild von Siri (Foto: SWR DASDING)

Viele Paare nehmen es sich vor, aber dann wird nichts daraus: eine faire Aufteilung von Familie, Job und Geld. Vier Frauen aus dem Raum Stuttgart wollen Eltern beibringen, wie es klappen könnte.

12 Paare, drei Sitzungen und viele praktische Tipps und Tricks für einen fairen Familienalltag: So sieht der Pilotversuch für ein Elternseminar aus, das vier Gründerinnen aus dem Großraum Stuttgart ins Leben gerufen haben. Sie nennen ihre Idee "Modern Parenting Program", auf Deutsch etwa "Programm für moderne Elternschaft".

Verdienst von Frauen: Mehr als eine halbe Million weniger

Die Frauen, die alle selbst Kinder haben, wollen damit dem Status Quo entgegenwirken, dass in Deutschland nach wie vor vorwiegend Frauen nach der Geburt beruflich zurückstecken. Denn das hat erhebliche finanzielle Auswirkungen für Frauen. Im Laufe ihres Lebens verdienen Frauen in Westdeutschland rund 670.000 Euro weniger als Männer - auch, weil sie mit Kindern häufig in Teilzeit arbeiten. Das zeigt eine Studie der Bertelsmannstiftung von 2020.

Finanzen, Wochenplan, Rituale - in dem Elternseminar spielen viele Themen eine Rolle. Hier vier Beispielfolien der Gründerinnen:

Das Bild zeigt eine Beispielfolie aus dem Elternseminar. (Foto: Julia Daubertshäuser/Modern Parenting Program)
Wunsch und Wirklichkeit: Das Elternseminar will Tipps geben, wie eine faire Aufteilung von Beruf, Haushalt und Kindern gelingt. Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt Beispiele, was die Gründerinnen unter "fairer Elternschaft" verstehen. Zum Beispiel: Beide Eltern haben einen gleichen Umfang an Gesamtarbeitszeit pro Woche.  (Foto: Julia Daubertshäuser/Modern Parenting Program)
"Faire Elternschaft": Was verstehen die Gründerinnen darunter? Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt eine Folie aus dem Workshop. Im Elternseminar geht es auch um Finanzen. Um Transparenz zu schaffen, schlagen die Macherinnen das Dreikontenmodell vor.  (Foto: Julia Daubertshäuser/Modern Parenting Program)
Im Elternseminar geht es auch um Finanzen. Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt eine Beispielfolie aus dem Seminar mit "Life Hacks". Die Gründerinnen plaudern aus dem Nähkästchen und geben Einblicke, was bei ihnen zu Hause gut funktioniert. (Foto: Julia Daubertshäuser/Modern Parenting Program)
Die Mütter plaudern auch aus dem Nähkästchen und geben Einblicke, was bei ihnen in der Familie gut funktioniert. Bild in Detailansicht öffnen

"Mein Mann und ich haben das Dreikontenmodell", sagt Carmen Beisswanger, eine der Gründerinnen, an diesem Abend zu den Teilnehmenden im Seminar. "Alle Einnahmen gehen aufs Gemeinschaftkonto und alle gemeinsamen Ausgaben gehen davon ab. Zusätzlich hat jeder ein Hobbykonto, darauf zahlen wir uns beide denselben Betrag aus, für Dinge wie mein Mädelswochenende oder Fahrrad-Zubehör für meinen Mann."

Geld in der Familie: Dreikontenmodell

Beisswanger ist Mutter zweier Kinder und von dem Dreikontenmodell überzeugt. "So herrscht extreme Transparenz. Die Person, die weniger oder gar kein Einkommen hat, rutscht nicht in das schlechte Gefühl, gar nicht zu wissen, wie viel Geld eigentlich da ist."

Eine Teilnehmerin des Seminars kommt ins Grübeln. "Wir machen es bislang wie in einer WG und überweisen uns ständig Beträge hin und her, je nachdem, wer was gezahlt hat. Vielleicht wäre das Dreikontenmodell für uns auch nicht schlecht", sagt sie. Ein Vater berichtet, wie er und seine Frau die Finanzen handhaben. Schon ist man mittendrin im "Modern Parenting Program".

Die vier Frauen, die sich das Seminar ausgedacht haben:

Auf dem Bild sieht man Julia Daubertshäuser, Mutter zweier Kinder und Co-Gründerin eines Elternseminars. (Foto: Modern Parenting Program/Julia Daubertshäuser)
Julia Daubertshäuser hat zwei Kinder und lange bei einer Stuttgarter Kommunikationsagentur gearbeitet. Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt Sandra Sturmann, eine der Gründerinnen des Seminars "Modern Parenting Program" für Eltern und werdende Eltern. (Foto: Modern Parenting Program/Julia Daubertshäuser)
Sandra Sturmann hat drei Kinder und ist systemischer Coach und Organisationsberaterin. Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt Christina Korntreff, eine von vier Gründerinnen eines neuen Elternseminars. (Foto: Modern Parenting Program/Julia Daubertshäuser)
Christina Korntreff hat ein Kind und arbeitet als Führungskraft beim Automobilzulieferer ETAS. Bild in Detailansicht öffnen
Das Bild zeigt Carmen Beisswanger, eine von vier Gründerinnen des "Modern Parenting Program". (Foto: Modern Parenting Program/Julia Daubertshäuser)
Carmen Beisswanger hat zwei Kinder und ist Beraterin für Innovationsmanagement und Organisationsentwicklung. Bild in Detailansicht öffnen

Kinder und Beruf: Konkrete Rechenbeispiele

Die Paare haben sich an diesem Abend digital zusammengeschaltet und diskutieren über Finanzen in der Familie. Carmen Beisswanger zeigt konkrete Rechenbeispiele. Wieviel verdient eine Familie insgesamt über mehrere Jahre hinweg im "Ernährer und Hausfrau"-Modell? Und wieviel ist es, wenn beide gleich viel Elternzeit nehmen und danach beide 50 Prozent arbeiten?

"Meistens ist das 'Ernährer-Hausfrau-Modell' sehr kurzfristig gedacht", sagt Beisswanger. Über einen längeren Zeitraum gesehen sei das Familieneinkommen bei einer gleichberechtigten Aufteilung höher. Denn so komme auch die Frau in ihrer Karriere weiter und verpasse zum Beispiel weniger Gehaltserhöhungen.

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Frauen, Männer und unsichtbare Arbeit: Der "Mental Load-Test"

Die meisten der Teilnehmer des "Modern Parenting Program" haben schon Kinder. Ein Paar fehlt heute, denn ihr erstes Kind ist just an diesem Tag zur Welt gekommen. In insgesamt acht Stunden Seminarzeit geben Carmen Beisswanger und ihre Kolleginnen ganz praktische Tipps, wie Beruf, Hausarbeit und die Betreuung der Kinder gerecht zwischen Frauen und Männern aufgeteilt werden können.

Am Anfang stand zum Beispiel ein sogenannter "Mental Load-Test", mit dem Paare analysieren können, wer welche Aufgaben im Kopf hat und erledigt. Wann braucht das Kind die nächste Kleidergröße? Wann steht der nächste Arzttermin an? Solche Dinge im Kopf zu haben, ist auch Arbeit, die meist aber komplett unsichtbar bleibt. Das ist mit dem Konzept von "Mental Load" gemeint.

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Kinder, Haushalt, Beruf: Welche Tricks können helfen?

Andere Beispiele aus dem Seminar: Die Macherinnen empfehlen einen festen Wochenplan zur Verteilung aller Aufgaben - mit fixen Zeiten für Erholung allein, Paarzeit und Zeit für die Familie. Die Gründerin Julia Daubertshäuser und ihr Mann machen zudem jede Woche eine Besprechung: Was lief letzte Woche gut? Was wünsche ich mir von dir nächste Woche?

Die Seminarleiterinnen empfehlen auch, für jede Woche im Voraus zu besprechen, wer bei Krankheit oder Kita-Ausfällen einspringt. So kann der andere sich in dieser Woche über die Gewissheit freuen, dass seinen privaten Terminen wie Hobbies fast nichts mehr in die Quere kommen kann. "Egal ob Beruf, Kinderbetreuung oder Arbeit im Haushalt - alle Zeit sollte in einer Partnerschaft als gleich wertvoll gelten. Das wollen wir vermitteln", sagt Daubertshäuser.

Die Mutter zweier Kinder regt zu realistischem Planen an: "Mit einem Baby oder Kleinkind allein zu Hause ist es total unrealistisch, nebenher zu putzen oder zu kochen. Darüber sollte man sprechen, damit solche Erwartungen gar nicht erst entstehen." Die Gründerinnen raten zum regelmäßigen Rollentausch. Wenn jeder auch die Aufgaben des anderen kennt, führe das zu mehr Wertschätzung.

Wollen Männer weniger planen?

"Mein Mann will nicht so viel planen. Er lässt Dinge lieber auf sich zukommen." Dieser Satz fällt mehrmals in der Sitzung an diesem Abend. Die Paare besprechen ganz konkrete Erfahrungen aus dem Alltag, was geklappt hat und was nicht. Auch ihre Konflikte sprechen sie an. Es herrscht große Offenheit.

Kinder, Putzen, Kochen - Frauen leisten deutlich mehr unbezahlte Arbeit als Männer (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Unsichtbare Arbeit sichtbar machen - auch darum geht es in dem Seminar.

"Viele Paare signalisieren uns, dass es vor allem ein Aufatmen ist, wenn sie merken: Den anderen geht's genauso wie uns ", sagt Gründerin Julia Daubertshäuser. Auf einer digitalen Wand sollen die Teilnehmer des Elternseminars am Ende der Sitzung Feedback hinterlassen. "Wir haben jetzt eine gute Basis, um immer wieder darüber zu reden", hat ein Paar hinterlassen. "Manchen Input hätte ich mir gewünscht, als die Kinder noch kleiner waren", schrieb jemand anderes.

Kinder, Beruf, Haushalt: Wie geht es weiter mit dem Elternseminar?

Für Beisswanger, Daubertshäuser und ihre Kolleginnen waren die drei Sitzungen erst der Anfang. Zwar fordert Julia Daubertshäuser auch von der Politik dringend Veränderungen, zum Beispiel bei der Betreuungssituation von Kindern. Dennoch ist sie überzeugt, dass Eltern auch viel selbst in der Hand haben. Deshalb wollen sie und ihre Mitstreiterinnen das "Modern Parenting Program" künftig in Firmen anbieten.

Ihre Hoffnung: Das Elternseminar könnte helfen, dass Mütter schneller in den Job zurückkehren und ihre wöchentliche Arbeitszeit im Beruf erhöhen. Für Arbeitgeber, die händeringend nach Fachkräften suchen, wäre das ein Vorteil.

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